Infektionen - Psyche






Wenn das Immunsystem die Psyche angreift

Immer wieder gibt es Hinweise auf Zusammenhänge zwischen Infektionskrankheiten und psychischen Erkrankungen

Psychische Erkrankungen verlangen immer wieder Erklärungen. Was löst eine Depression aus? Warum hören Schizophrene Stimmen oder haben optische Halluzinationen?
Histologische Gehirnuntersuchungen psychisch Kranker und Gensequenzierungen halfen den Patienten nur wenig. Aber es gibt immer wieder Befunde, die die therapeutischen Ansätze verändern könnten. Schon vor über hundert Jahren, zu Zeiten der Spanischen Grippe (1918/1919) war Ärzten aufgefallen, dass ungewöhnlich viele Menschen an Psychosen erkrankten. Auch Infektionen mit anderen Viren, Bakterien oder Einzellern konnten Forscher mit neurologischen und psychischen Erkrankungen in Verbindung bringen.
Auch bei Tieren wurden Verhaltensauffälligkeiten nach Infektionen festgestellt:

Toxoplasma gondii ist ein Einzeller, der z.B. durch Katzen oder rohes Fleisch übertragen werden kann. Infizierte Mäuse zeigen keine Scheu mehr vor ihrem Freßfeind. Auch Menschen leiden, wenn sie im Mutterleib infiziert werden, an folgeschweren Erkrankungen des Gehirns (connatale Toxoplasmose). Schwangeren Frauen wird empfohlen, Tiere, insbesondere Katzen und rohes Fleisch, zu meiden und sich in Früherkennungsuntersuchungen screenen zu lassen.

Borna-Viren führten zu Verhaltensauffälligkeiten bei Pferden, sodass diese eingeschläfert werden mussten. Auch bei Menschen werden diese Viren häufiger als in der gesunden Bevölkerung bei Depressiven und Angstpatienten gefunden. Eine antivirale Therapie mit Amantadin bessert in manchen Fällen die Beschwerden. Die Infektion erfolgt über den Nasen-Rachen-Raum (Tröpfcheninfektion). Die Viren integrieren sich in das Genom der Zellen, sodass eine Viruselimination nicht möglich ist.

Auch Corona-Viren werden als Tröpfchen übertragen, gelangen über die Atemwege in den Körper. Zunächst werden Störungen der Geruchs- und Geschmackswahrnehmung beobachtet. Das Riechhirn hat direkten Kontakt zum limbischen System, dem emotionalen Zentrum. Die weitere Übertragung der Erreger erfolgt von Zelle zu Zelle.

Sind psychische Erkrankungen „Eine Verletzung der Einbildungskraft“, wie es ein Lexikoneintrag aus dem Jahr 1732 (Zedler) beschreibt? Psychisch kranke Menschen wurden häufig als "wahnsinnig", "besessen" oder "irre" bezeichnet. Im Mittelalter wurden ein „Ungleichgewicht der Säfte“, Dämonen oder „innere Gifte“ für den Geisteszustand der Kranken verantwortlich gemacht. Psychisch Kranke geben auch heute noch Rätsel auf.

1919 fällt dem Psychiater Karl Menninger in einer Klinik in Boston, USA, auf, dass immer mehr junge Patienten mit Psychosen eingeliefert werden. All diesen Patienten ist eines gemeinsam: Sie waren zuvor auch an der Spanischen Grippe erkrankt.
Damals ist erstmals vermutet worden, dass es möglicherweise Zusammenhänge zwischen einer Infektionserkrankung und der Schizophrenie geben könnte.

Wie nach der spanischen Grippe, stieg auch Mitte des letzten Jahrhunderts die Anzahl der psychisch Kranken plötzlich an. Corona-, Borna- oder Grippeviren, aber auch die Erreger anderer Infektionskrankheiten können die eigentlichen Ursachen komplexer psychischer Erkrankungen sein. Auch ein Psychiater an der berliner Charité, Professor Karl Bonhoeffer, hatte Krankheitsverläufe und Anamnesen zusammengetragen und veröffentlichte 1910 ein vielbeachtetes Buch:

„Die symptomatischen Psychosen im Gefolge von akuten Infektionen und inneren Erkrankungen“ (Karger)

Er beschreibt eine Kasuistik: "50jährige Näherin. Doppelseitige, ausgedehnte Lungenaffektion und Fiebertemperaturen von unregelmäßigem Charakter. Körperlich reduziert. Beginn mit Rauschen im Ohr und im Kopfe, als ob sich etwas darin drehte, als ob ein Uhrwerk ginge. … Angst, gelähmt zu werden ... massenhafte Gehörtäuschungen beschimpfenden und bedrohlichen Inhaltes: „Dirne, Sie haben einen erwürgt“ … Ist orientiert, angstvoll, erwartet den Tod, bittet, sie nicht zu lange zu quälen. .… Schlechter Schlaf. Dann allmähliches Abklingen der Halluzinationen, ... Der Beziehungswahn hört auf, sie wird umgänglich und isst wieder. Nach Abklingen Zurückverlegung ins allgemeine Krankenhaus, Gewichtsabnahme von 6 Pfund."

Warum manche Patienten erkranken, andere mit den gleichen Infektionen jedoch nicht, wird nicht weiter diskutiert. Aber es gibt (einfache) Korrelationen.

Auch heute machen Psychiater die Beobachtung, dass Psychosen oder Depressionen mit Infektionskrankheiten einhergehen. Auch bei Borreliose-Patienten treten psychische Veränderungen auf. Erstaunliche Verbesserungen der chronischen Müdigkeit, der Apathie und der Arbeitsfähigkeit lassen sich bei entsprechender Antibiotikatherapie (hoch dosiert, lange Behandlungsdauer) erzielen.

Wird jedoch die Therapie zu niedrig dosiert oder zu kurz durchgeführt, kann keine Heilung erzielt werden. Es kommt unweigerlich zum Rückfall, der sich nur durch eine ernuete Therapie aufhalten lässt.

An der psychiatrischen Klinik in Günzburg hat Professor Karl Bechter eine Patientin mit einer schweren Depression durch Penicillin heilen können. Die Depression konnte auf Streptokokkeninfektionen, also über Jahre wiederholte Halsentzündungen, die zwar immer wieder mit Antibiotika - aber nicht effektiv genug - behandelt wurden, zurückgeführt werden.

Und das sind keine Einzelfälle, denn Mikroben können tatsächlich das menschliche Gehirn so beeinflussen, dass pychische Erkrankungen entstehen. Genetische Anlagen können nach Untersuchungen an mehr als 2500 Schizophreniepatienten ausgeschlossen werden. Nur ein kleiner Anteil der Patienten stammte aus psychiatrisch auffälligen Familien. Die meisten Patienten hatten vor dem Ausbruch der Erkranklung Infektionskrankheiten.

Menschen, die in den Wintermonaten geboren sind, haben ein etwas höheres Schizophrenierisiko. Das ist in skandinavischen Studien festgestellt worden. Im zweiten Schwangerschaftsdrittel kam es bei den Frauen zu einer Infektion, z.B. mit Grippeviren. Gerade in den Wintermonaten ist der Vitamin-D-Spiegel, erst recht in Skandinavien, deutlich geringer und die Substitution, die vom Körpergewicht abhängig sein sollte, ist nicht effektiv.

Wie bei der "Multiplen Sklerose", die eigentlich eine Ausschlussdiagnose sein sollte, gibt es auch bei der Schizophrenie geographische Verteilungsmuster. Auch leiden Stadtbewohner häufiger als Landbewohner unter psychischen Erkrankungen. Sind es gegenseitige Ansteckungen oder spielt der Vitamin-D-Status eine Rolle?

Schottische Forscher untersuchten 65-jährige Studienteilnehmer, die bereits 1947 mit elf Jahren zu ihren Lebensbedingungen befragt worden waren. Es zeigte sich, dass bei psychisch kranken Menschen der Hippocampus kleiner ist als bei der gesunden Vergleichsgruppe. Wenn Menschen in der Kindheit vermehrt Infektionen ausgesetzt waren, wurde eine leichtgradige Hippocampusverschmächtigung nachgewiesen.


Jede Irritiation des Immunsystems durch zusätzliche Belastungen (Operationen, Verletzungen, Impfungen) muss berücksichtiget werden, nicht absolut Notwendiges muss weggelassen werden (z.B. Fernreisen).

Vor etwa zehn Jahren begannen Forscher in aller Welt nach Erregern hinter der Krankheit zu suchen. Influenza-, Röteln-Viren, Toxoplasma gondii, Streptokokken und andere Erreger konnten in Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen gebracht werden. Die Art des Erregers spielt bei den leichten Entzündungen den "Silent Inflammations", die den ganzen Körper betreffen können, keine Rolle.

Die Symptome gleichen einer Nebenwirkungsliste des Präparates Interferon, das z.B. zur Therapie der Hepatitis eingesetzt wird. Hier verweigern manche Patienten sogar die Behandlung, die sie heilen könnte, um die schweren Nebenwirkungen nicht erleiden zu müssen- und riskieren die Entwicklung eines Leberzellkarzinoms. Sozialer Rückzug, chronische Müdigkeit und Depressionen, Niedergeschlagenheit, Konzentrationsstörungen und Ganzkörperschmerzen sind die Krankheitssymptome, die wir auch von grippalen Infekten kennen.

Durch entsprechende moderne Laboruntersuchungen kann man die Ursache dieser Symptome klar erkennen: es sind die Zytokine, also Botenstoffe, die von den Leukozyten und dem Gewebe abgegeben werden. Man spricht vom "Zytokinsturm".

Zytokine können ihre Wirkungen auch im Gehirn entfalten und dort die Neurotransmitter beeinflussen, u.a. den Tryptophan-Stoffwechsel. Tryptophan, eine über die Nahrung aufgenommene essentielle Aminosäure, wird durch körpereigene vitaminabhängige Enzymreaktionen zum Serotonin umgebaut. Serotonin ist als "Glückshormon" bekannt und spielt eine Rolle in der Pathophysiologie der Depression.

Manche Zytokine sorgen dafür, dass aus Tryptophan andere Stoffwechselprodukte (Kynurenin) entstehen und weniger für die Bildung von Serotonin übrig bleibt. Ein Serotonin-Mangel ist die Folge und führt zu Depressionen. Hier setzen Antidepressiva an und führen über eine Wiederaufnahmehemmung zu einer erhöhten Serotonin-Konzentration im synaptischen Spalt. Leider führen Antidepressiva häufig zu Abhängigkeiten und zur Gewichtszunahme, sodass es zu einem Teufelskreis kommt.

Depressionen sind also Zeichen eines chronischen Entzündungsprozesses im Gehirn. Psychopharmaka können zusätzlich zu ihrer Wirkung auf die Botenstoffe des Immunsystems (Neurotransmitter) Entzündungsprozesse beeinflussen.

Auch Arzneimittel, die bei (auto-)immunologischen Erkrankungen, wie zum Beispiel der rheumatoiden Arthritis, eingesetzt werden, können einen antidepressiven Effekt haben.

Psyche und Immunsystem beeinflussen sich also gegenseitig und reagieren auf auf dieselben Wirkstoffe. Karl Bonhoeffer hatte bereits ähnliche Beobachtungen gemacht.

Auch während der Corona-Pandemie wurde das auch deutlich, dass viele Infizierte unter Geruchs- und Geschmackstörungen litten, ohne dass typische Atemwegsbeschwerden vorlagen. Auch längere Krankheitsverläufe ("Long-COVID") sind für Ärzte und Patienten ein Problem. Patienten berichten über ein vorher nicht da gewesene Müdigkeit, es fehle die innere Spannkraft, die Ausdauer.

Schon seit vielen Jahren verfolgt auch der Psychiater Prof.Karl Bechter die These, dass Entzündungsprozesse eine Ursache für psychische Erkrankungen sind. Mit „Moodinflame“ finanzierte die Europäische Union mit 13 Millionen Euro ein Forschungsprojekt. MOODINFLAME

Bechter untersucht regelmäßig Blut und Liquor auf leichte Entzündungszeichen. Er konnte zeigen, dass 40 Prozent dieser Patienten leichte Liquor-Veränderungen aufwiesen. Er spricht von einer "milden Enzephalitis".

Auch ich schaue mir immer die Liquorbefunde von Patienten an, die eine Lumbalpunktion hatten. Nur ganz selten sind gar keine Veränderungen zu sehen. Leider wird so gut wie nie der Liquordruck gemessen, der auch erhöht sein kann, da entweder vermehrt Liquor gebildet wird (als Zeichen der Entzündung), oder dass der Abfluss gestört ist (durch eine Vermehrung der Eiweiße). Eine Erhöhung der Zellzahlen ist meistens nicht zu beobachten, was aber nach den Leitlinien zu einer Meningitis oder Encephalitis gehört. In Arztbriefen liest man dann Sätze wie "es zeigten sich keine Hinweise für eine Entzündung".

Eine Enzephalitis ist eine Entzündung des Gehirns, nicht zu verwechseln mit einer Meningitis, bei der lediglich die Hirnhaut entzündet ist. Eine echte Enzephalitis im klassischen Sinn liegt bei den Patienten von Karl Bechter nicht vor. Die "milde Hirnentzündung“ bringt eher im Hintergrund die Hirnfunktion aus dem Gleichgewicht. Bei etwa 40 bis 50 Prozent der untersuchten Schizophrenie- und Depressions-Patienten finden sich Anzeichen für eine Entzündung im Nervenwasser. Das Immunsystem greift wahrscheinlich über verschiedene Mechanismen, nämlich über Antikörper (Produkte der B-Lymphozyten und Plasmazellen) und das spezifische und unspezifische Immunsystem, Macrophagen und Gliazellen über Zytokine das Gehirn an. Das Gleichgewicht der Neurotransmitter im Gehirn wird gestört.

Bei Infektionskrankheiten werden von den B-Lymphozyten/Plasmazellen Antikörper gebildet, die auf einen immunologischen Entzündungsvorgang hinweisen, zum Beispiel bei Streptokokken. Diese Antikörper richten sich in der Regel gegen ein Protein an der Oberfläche der Streptokokken. Aber manchmal haben auch menschliche Zellen, beispielsweise Nervenzellen, dieselben Proteine an ihrer Oberfläche. Oder die Antikörper verwechseln Freund mit Feind und greifen auch die körpereigenen Zellen an. Auch bei anderen Autoimmunerkrankungen wird dieser Mechanismus vermutet. So konnte ich bei einer Patientin mit einer ALS-Symptomatik (amyotrophe Lateralsklerose) Antikörper gegen Acetylcholin-Rezeptoren (Schaltstelle zwischen Nerven und Muskelzellen) nachweisen, die unter einer hochdosierten Antibiotikatherapie verschwanden. Auch für die rheumatoide Arthritis "typischen" CCP-Antikörper (gegen cyclisches citrulliniertes Peptid gerichtet) vermindern sich unter eine Antibiotikatherapie und die Patienten benötigen weniger Schmerzmittel.

Ein solcher Mechanismus ist zum Beispiel beim sogenannten Pandas-Syndrom bekannt. Kinder können daran erkranken und verweigern plötzlich die Nahrungsaufnahme und wiederholen zwanghaft immer wieder ein und dieselbe Bewegung. Sie sind ängstlich, aggressiv und versagen in der Schule. All das nur, weil ihr Immunsystem sich gegen die Streptokokken wehrt und dabei irrtümlich auch das Gehirn attackiert. Werden die Streptokokken mit Antibiotika bekämpft, verschwinden auch die Antikörper und die Kinder verhalten sich wieder völlig normal.

Bei aus dem Golfkrieg zurückkehrenden US-Soldaten wurden Mycoplasmen als Ursache von diversen psychischen Erkrankungen festgestellt. Auch die Familien der Soldaten erkrankten und es dauerte lange, bis die Bakterien entdeckt wurden.

Eine weitere Erkrankung mit schweren psychischen Symptomen beschrieb 2007 der spanisch-amerikanische Arzt Josep Dalmau. Die meisten Patienten, junge Frauen und Kinder erkrankten, aber auch Männer. Antikörper gegen NMDA-Rezeptoren wurden gefunden. Auch wurden bei Patienten mit Schizophrenie Auffälligkeiten im EEG gefunden, die EEG-Wellen waren etwas verlangsamt und unregelmäßig. Liquor-Untersuchungen zeigten auch hier diskrete entzündliche Veränderungen.

Tatsächlich können in seltenen Fällen Antikörper gegen den NMDA-Rezeptor nachgewiesen werden. Mit einer Immuntherapie kann es gelingen, die Patienten zu heilen.

Woher die NMDA-Antikörper kommen, ist noch unklar. Es gibt jedoch bei etwas mehr als der Hälfte der weiblichen Patienten einen gutartigen Tumor an den Eierstöcken. Diese können auch Nervengewebe enthalten. Vielleicht hatte das Immunsystem den Tumor bekämpfen wollen und dabei die NMDA-Antikörper gebildet. Die Antikörper verschwinden, wie auch die psychiatrischen Symptome, wenn der Tumor entfernt wird. Was bei den Patientinnen ohne Tumor und den erkrankten Männern und Kindern zur Bildung der Antikörper geführt hat, bleibt bislang offen. Vielleicht war eine Infektion der Auslöser. Zusammenhänge zwischen einer Tumorgenese und Infektionen sind auch bei anderen Erkrankungen bekannt (Helicobacter pylori - Magenkrebs, Humanes Paillomvirus- Gebärmutterhalskrebs, Eppstein-Barr-Virus - Nasopharynxkarzinom, Chlamydia trachomatis - Eierstockkrebs).
Blutproben aus der Blutbank wurden analysiert und man fand bei fast 2 % der Patienten mit Schizophrenie NMDA-Antikörper. Andere Antikörper wurden bei weiteren 8% der Patienten gefunden.

Antikörper gegen den NMDA-Rezeptor kpommen nicht nur bei einer Schizophrenie vor, sondern auch bei dementen Patienten. Diese hatten schon im Alter um das 60. Lebensjahr einen deutlichen Abbau von Hirnsubstanz. Mehrere liefen unter der Diagnose "Alzheimer-Demenz".

Bei 80% der Alzheimer-Patienten konnte Borrelien-DNA in den Plaques nachgewiesen werden. Aber auch gesunde Menschen haben solche Plaques. Eine Demenz scheint sich nur bei Diabetes mellitus zu entwickeln ("Der Zucker verzuckert das Gehirn").

Werden NMDA-Rezeptor-positive Patienten mit einer aggressiven Immuntherapie behandelt, also mit Cortison und Plasmapherese (Blutwäsche), kann eine Besserung erzielt oder das Niveau stabilisiert werden. Langfristig kann eine Heilung jedoch nicht erzielt werden, da sich erneut Antikörper bilden und die Therapie begrenzen. Wahrscheinlich liegt es daran, dass die Ursache der Antikörperbildung nicht berücksichtigt wurde. Es könnte sich um intrazelluläre Erreger handeln, die immer wieder durch das Immunsystem bekämpft werden.

Ist ein zu großer Anteil der Nervenzellen abgestorben, ist keine Regeneration mehr möglich. NMDA-Antikörper sind nur für wenige Fälle von Demenz oder Schizophrenie verantwortlich. Autoantikörper gegen andere Rezeptoren könnten andere Erkrankungen erklären. So konnten bei Tourette-Patienten Antikörper gegen Dopamin-Rezeptor im Gehirn nachgewiesen werden. Dopamin ist ein weiterer Neurotransmitter. Beim Restless-Legs-Syndrom (unruhige Beine) und beim Parkinson-Syndrom (Schüttellähmung) spielt ein Dopaminmangel eine Rolle. Hier werden L-Dopa oder Dopamin-Agonisten (wirken wie Dopamin) mit Erfolg eingesetzt.

Bei wie vielen Patienten mit psychiatrischen Erkrankungen ein überschießendes oder fehlgeleitetes Immunsystem die Ursache für die Symptomatik ist, ist unklar. Werden Entzündungsmediatoren und Antikörper aus dem Liquor durch Plasmapherese entfernt, konnten Psychose-Patienten zu über 60% mit Erfolg behandelt werden. Die entsprechenden Filter werden jedoch nicht mehr produziert.

Nach einem ähnlichen Prinzip funktioniert eine Blutwäsche, die ebenfalls Antikörper aus dem Blut der Patienten entfernen kann. Auch die Durchführung immunsuppressiver Therapien, wie sie Organtransplantierte ihr Leben lang durchführen müssen und wie sie auch schon bei psychisch Kranken zeitweise angewandt wurden, müssen in jedem Einzelfall überprüft werden.

Werden Schizophrenie-Patienten mit Cox2-Hemmern behandelt, also Wirkstoffen, die Entzündungen hemmen, haben keine starke Nebenwirkungen. Patienten, die innerhalb der ersten zwei Jahre nach Erkrankungsbeginn einen Cox-2-Hemmer bekommen haben, profitierten. Diejenigen, die eine längere Erkrankungsphase schon hinter sich gebracht hatten, jedoch nicht. Bei vielen Erkrankungen des zentralen Nervensystems gibt es wohl einen "Point of no return". Zwar würde ich immer einen (auch längeren) Therapieversuch unternehmen, jedoch ist ein Stillstand der Erkrankung vielleicht das, was erreicht werden kann. Mit antiinflammatorischen Substanzen kann also in der Spätphase nicht mehr viel erreichen werden, in der Frühphase aber sehr wohl.

Ähnlich wie Cox-2-Hemmer wirken Omega-3-Fettsäuren. Gemessen wird der Omega-3-Index, also das Verhältnis der Omega-3- zu den Omega-6-Fettsäuren. Ist der Index ungünstig, werden Entzündungen im gesamten Körper gefördert, bei gutem Index verbessert. Es gibt Patienten, die auch ohne Immun- oder Antibiotikatherpaie gesund werden, wenn entsprechende Omega-3-Fettsäuren zugeführt werden. Hier bevorzuge ich entsprechende Präparate, da ein hoher Fischkonsum wegen der Belastung mit Quecksilber und Arsen nicht in Frage kommt.

Nur in der Frühphase einer psychiatrischen Erkrankung ist eine Immuntherapie sinnvoll. In der Spätphase hat das Immunsystems im Gehirn bereits bleibende Schäden angerichtet. Jeden Patienten mit Schizophrenie oder psychischen Störungen mit Immunsuppressiva zu behandeln, ist nicht sinnvoll. So können sich bei längerer Immunsuppression (auch unter Cortison) Krebserkrankungen und Stoffwechselstörungen (Diabetes mellitus) entwickeln, oder bestehende verschlechtern.

Neben Hausärzten und Internisten sind Immunologen, Neurologen, Psychiater und Infektiologen gefordert. Leider werden Forschungen meistens durch Drittmittel der Pharmaindustrie gefördert. Infektionskrankheiten (außer Corona und Malaria) gehören nicht in die Pipeline der Industrie.

Die Borreliose zeigt nicht selten psychische Symptome. Von subklinischen (d.h. nicht erkennbaren) Erscheinungen bis hin zu schweren psychiatrischen Krankheitsbildern reicht die Bandbreite. Dabei werden Ärzte und Psychologen häufig an der Nase herumgeführt, die Diagnostik und die Therapie richtet sich häufig nach den Symptomen, ohne dass nach der eigentlichen Ursache gefahndet wird.

Im September 2022 wurde auf der internationalen Borreliose-Konferenz von Monika Embers, USA, eine Kasuistik vorgestellt:
Eine 54 jährige Frau erlitt einen Zeckenstich mit Erythema migrans (Wanderröte) und wurde 10 Tage mit einem Antibiotikum behandelt. Das Erythema migrans verschwand, doch nach 2 Jahren entwickelte sich eine Symptomatik, die auf die Infektion mit Borrelien zurückgeführt wurde. Sie wurde wieder behandelt. Nach 4 Jahren erfolgte wegen einer erneuten Symptomatik eine weitere Therapie. Schließlich erhielt sie mit 60 Jahren Ceftriaxon (intravenöses Antibiotikum). Trotz allem entwickelte die Patientin eine Demenz und verstarb. Die histologische Untersuchung von Gehirn und Rückenmark ergab eine Borrelien-Infektion dieser Organe.

Nicht alles ist durch eine Borreliose zu erklären, jedoch muss diese sehr häufige Infektionskrankheit öfter in Betracht gezogen werden. Bei jeder Infektion werden Zytokine freigesetzt, die auch im zentralen Nervensystems wirken. Tryptophan, als Grundmolekül des Serotonins, wird weniger gebildet, es fehlt das "Glückshormon". Der Ausbruch von Psychosen wird häufig nach Infektionskrankheiten beobachtet.

In der Psychotherapie wird versucht, eine auslösende Situation zu finden, die emotionale Stimmungslage zu eruieren und die ganze Symtomatik, mit der ein Patient erscheint, allein auf mögliche Beziehungskonflikte oder Traumata zu reduzieren. Dieses Vorgehen ist bei vielen Patienten völlig richtig und auch erforderlich, um das weitere Leben für den Patienten günstiger zu gestalten.

Nun sind aus eigener Erfahrung einige Fälle bekannt, die monate- und sogar jahrelang psychotherapeutisch (auch medikamentös) behandelt wurden, ohne dass sich die Symptomatik auch nur etwas geändert hätte. Der Patient meint im Gegenteil, dass er es tatsächlich mit einer psychischen Erkrankung zu tun hat, die nun einmal nur schwer zu behandeln wäre, eben durch erneute und immer noch längere Psychotherapie und neue, bessere Psychopharmaka.

Inzwischen sind aber einige dieser Patienten im Labor auffällig geworden: es fanden sich signifikante Antikörper gegen mikrobiologische Erreger, deren adäquate Behandlung zu einer deutlichen psychischen Besserung geführt hat. Zwar sind z.T. unterstützende Maßnahmen erforderlich, wie z.B. moderne Antidepressiva (u.a. SSRI) und auch psychotherapeutische Behandlungen. Jedoch werden nach einiger Zeit beachtliche Verbesserungen nachweisbar: Patienten sind wieder lebens- und arbeitsfähig, die bleierne Müdigkeit verschwindet, die lähmende Depression vermindert sich. Wenn sich dann auch noch Gelenkprobleme und Schmerzen lindern, kann mit großer Wahrscheinlichkeit von einer infektiösen Genese ausgegangen werden.

Bei der Schwesterkrankheit der Lyme-Borreliose (LB), der Syphilis, sind ebenfalls psychische und psychiatrische Symptome bekannt. Manche Patienten sind nur etwas psychisch auffällig, werden unsozial, "schwierig", z.T. aggressiv gegen Familienangehörige und andere Menschen, ohne dass sie sich dessen bewusst sind. Erst später besinnen sie sich und finden ihr Verhalten selber unwirklich.

Warum Verhaltensauffälligkeiten nicht bei allen LB-Patienten nachweisbar sind, könnte mit der unterschiedlichen Organspezifität der verschiedenen Borrelienstämme zusammenhängen.

Natürlich ist auch die prämorbide Persönlichkeit (also wie der Patient vor der Erkrankung von seiner Persönlichkeit war) zu berücksichtigen.

Schon im Kindesalter sind Verhaltensauffälligkeiten (z.B. ADS = Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom) festzustellen. Im eigenen Patientenkollektiv haben alle ADS-Patienten signifikante Borrelienantikörper. Nicht alle bessern sich unter/nach der Therapie, sodass sicherlich noch andere Faktoren eine Rolle spielen dürften. Weitere Untersuchungen sind notwendig.


Kasuistik (aus dem DLF-Podcast):
Als die 29jährige Tochter von M.R. über Müdigkeit und Abgeschlagenheit klagt, denkt ihre Mutter noch nicht an etwas Ernstes. Sorgen macht sie sich erst, als die junge Frau anfängt sich merkwürdig zu verhalten:

„Sie ist allein erziehend, sie hat eine Tochter von neun Jahren, hat eine Krise hinter sich gebracht, Trennung und so weiter und war zunehmend eben emotional im Ungleichgewicht. Wir haben gedacht, sie ist einfach nur erschöpft. Es hat sich dann aber ausgeweitet, sie hat Orientierungsprobleme gehabt auf der Arbeit- sie ist Krankenschwester – sie konnte zum Beispiel die Leute nicht finden. Und dann ging das los mit neurologischen Ausfällen, dass sie Doppelbilder gesehen hat und dass sie auch Geruchswahrnehmungen hatte, die ziemlich extrem waren. Sie hat sich selbst als schlecht riechend wahrgenommen. Sie hat dann auch die anderen gefragt: Ich rieche mich dauernd, stinke ich? Wie rieche ich? Wie kann das sein, dass ich schlecht rieche? Also sie hat das auch reflektiert und sie hat gewusst, dass das nicht sein kann, dass sie ständig diese Geruchswahrnehmungen hat.“

M.R.'s Tochter geht irgendwann freiwillig in eine psychiatrische Klinik.

„Sie ist dann mit Medikamenten behandelt worden und da die Neuroleptika nicht griffen, was sie eigentlich hätten müssen, hat man dann immer mehr ausprobiert, immer wieder anderes ausprobiert und umgestellt. Und mit der Zeit – der Prozess hat zehn Wochen gedauert – wurde das Krankheitsbild immer schlimmer. Sie hat nicht mehr gegessen, sie ist runtergemagert auf 50 Kilo. Sie hat Speichelfluss gehabt, sie konnte nicht mehr richtig laufen, sie ist weggeknickt, sie hat den Eindruck gemacht von einer alten Frau, die einen Schlaganfall gehabt hat. Ich habe dann beschlossen, diese Behandlung nicht weiter fortführen zu lassen und habe sie dann nach Hause geholt.“
M.R. holt ihre Tochter schließlich aus der Psychiatrie nach Hause. Schon durch das Absetzen der Medikamente bessert sich ihr Zustand. Ein Artikel über die Arbeit von Harald Prüß führt die Mutter endlich auf die richtige Spur.

„Ich habe den Artikel gelesen und gedacht: Das ist es. So wie es darin steht, so ging es meiner Tochter. Dann habe ich das erstmal dieser Psychiaterin gesagt, die hat aber schon längst in diese Richtung gedacht und hat das dann in die neurologische Klinik mitgenommen und die haben auch schon längst so gedacht und haben dann eine Liquoruntersuchung gemacht. Und dann hat sie Cortison genommen und es ging ihr schlagartig besser, womit sie jetzt noch zu kämpfen hat, ist das Trauma durch die Psychiatrie.“

M.R. hat sich inzwischen von der psychiatrischen Klinik die Krankenakte ihrer Tochter geben lassen. Dort steht Schreckliches. Weil sie sich gegen das Eingesperrtsein zur Wehr setzte, wurde die junge Frau an ihr Bett gefesselt und mit einem Medikamentencocktail ruhig gestellt.

M.R. macht sich im Moment schon wieder Sorgen um ihre Tochter. Die junge Frau liegt mit heftigen Kopfschmerzen im Krankenhaus. Noch ist nicht klar, ob ein erneutes Aufkommen der Hirnentzündung der Grund ist, oder ob es sich dabei um eine Folge der Immuntherapie handelt. Aber auch ohne diese Komplikation hätte sie noch unter den Folgen ihres Psychiatrieaufenthaltes zu leiden. Weil sie sich gegen das Eingesperrtsein wehrte, wurde sie an ihr Bett gefesselt und mit einem Medikamentencocktail ruhig gestellt.

M.R.: „Das Trauma hat sie nicht mehr ins Krankenhaus gelassen. Und sie ist Krankenschwester. Also das hat schon Auswirkungen auf ihre Existenz. Also wir wissen nicht, inwieweit sie noch einmal in der Lage ist, ihren Beruf auszuüben. Diesen ganzen Leidensweg hätte man verkürzen können, wenn man sofort reagiert hätte, in der Psychiatrie hätte man in diese Richtung eben auch gucken müssen. Dann wäre man spätestens nach zwei Wochen drauf gekommen, dass was nicht stimmt und hätte diese neurologischen Untersuchungen gemacht, dann wäre das vielleicht heute nicht alles so schlimm. Sie hätte kein Trauma, sie hätte vielleicht die Komplikation nicht. Dann wäre vielleicht alles schon wieder gut und sie könnte schon wieder arbeiten gehen und so weiter. Es ist so wichtig, dass Ärzte ihre Hausaufgaben machen und dass Psychiater auch in diese Richtung denken und diese Erkrankung mit einbeziehen.“

Leider werden die Zusammenhänge zwischen Vitamin- und Nährstoffdefiziten und psychischen Erkrankungen häufig übersehen. Auch eine leichte Blutzuckererhöhung wird von vielen Ärzten ignoriert. Hier ist eine kontinierliche Blutzuckermessung hilfreich. Der Blutzucker sollte niedrig normal gehalten werden (entscheidend ist die Zeit im Zielbereich: 70 -100 mg/dl) Diabetes.

Auch Nährstoff-Defizite, vor allem Vitamin D3, Vitamin B12, Vitamin B6, Selen, Zink Plus, Vitamin K2, Vitamin A und Vitamin E sollten ausgeglichen werden.
Aber auch Vitamin C ist im Abwehrkampf gegen Erreger essentiell und muss täglich zugeführt werden.
Allein ein schlechter Omega-3-Index (unter 10) verhindert eine Gesundung Omega-3-Fettsäuren. Ein Ausgleich durch Pflanzenöle ist nicht möglich, da diese nicht die erforderlichen Omega-3-Fettsäuren (EPA, DHA) enthalten.

Sie finden auf unserer Homepage zu allen Themen Abhandlungen. Orientieren Sie sich nicht an den Referenzbereichen von Laboratorien, sondern fragen Sie Ihren Therapeuten nach seinen Empfehlungen. Anhaltspunkte sind unter Labornormalwerte zu finden.



Weitere Hinweise finden sich im Buch "Die neue Seuche - Zecken-Borreliose auf dem Vormarsch" von dem Facharzt für Allgemeinmedizin Hans-Peter Gabel. Buchbestellung: Hier gelangen Sie zur Buchbestellung"

Demenz
Borna-Virus-Infektion
Kernspintomographie-Gehirn

"Der Feind in meinem Kopf" DLF, 03.10.2013